Ein Abendessen. Die ganze Passionsgeschichte spiegelt sich darin wider, mit aller Spannung: Liebe und Gemeinschaft, und: Verrat und Betrug. Die Sehnsucht nach einer anderen, nach Gottes, Welt. Und: Gleichzeitig die Angst, dass die Hoffnung enttäuscht wird und alles bald vorbei ist.
Impuls zum Tischgespräch beim Tischabendmahl am Gründonnerstag. Haltern am See
Bis heute bleibt das Abendmahl spanungsvoll: In ihm steckt der Zuspruch Gottes von Vergebung und Gnade – dem einfachen Öffnen der Hände, die gefüllt werden.
Und im Abendmahl ist der Anspruch, dass wir als Jesu Nachfolgende / vom „Tisch des Herrn“ / die Liebe Gottes in die Welt tragen sollen.
Wir wollen gemeinsam am Tisch über einen weiteren Abendmahlstext nachdenken. Auch er hat eine Spannung:
Einige Jahrzehnte nach dem letzten Mal Jesu erinnert Apostel Paulus die Gemeinde in Korinth an das Abendmahl Jesu. Er erinnert daran, weil er vor Ort von einem Missstand gehört hat: Einige Gemeindeglieder versammeln sich schon, wenn andere noch auf dem Feld arbeiten, und schlagen sich den Bauch voll. Am Ende bleibt nicht für alle etwas übrig, um satt zu werden.
1Kor 11,17ff.
17 Dies aber gebiete ich euch: Ich kann’s nicht loben, dass ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommt. 18 Zum Ersten höre ich: Wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, sind Spaltungen unter euch; und zum Teil glaube ich’s. 19 Denn es müssen ja Spaltungen unter euch sein, auf dass die unter euch offenbar werden, die bewährt sind. 20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Abendmahl des Herrn[2]. 21 Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht. 23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten[3] ward, nahm er das Brot, 24 dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch;[4] das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund[5] in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Es ist also nicht beliebig zu sein, wie das Abendmahl im Gottesdienst die Gemeinschaft der Gemeinde prägt; auf welche Weise die Gemeinschaft mit Brot und Kelch auf unsere sozialen Beziehungen in Beruf und Familie abfärbt.
Paulus ist der Zusammenhang so wichtig, dass er später vorschlägt, vorsichtshalber das Mahl nicht mehr zum Sattwerden zu feiern, wenn es mit der Solidarität nicht klappt – das ist der Anfang der Abendmahlstradition mit einem symbolischen Stück Brot und Schluck Wein oder Saft wie bei unserem Abendmahl auch an Karfreitag oder Ostern.
Heute am Gründonnerstag ist es ein wenig mehr ein Sättigungsmahl. Das weist auch in unserer Gemeinschaft deutlicher als sonst auf diesen Zusammenhang:
Was konkret macht unsere Gemeinschaft aus, sakramental und sozial?
Was erhält sie?
Was gefährdet sie?
Für mich sind diese Fragen wieder brisanter geworden:
Was ist mit den Rissen zwischen den Menschen – auch der christlichen Gemeinden -, die in der Corona-Pandemie eine andere Haltung hatten? Hat das Abendmahl und das sonstige Gemeindeleben eine so starke integrative Kraft, dass es diese Risse heilen kann? „Wir werden uns viel zu vergeben haben“ nach Corona? Ist uns das gelungen? Woran würden wir es selber merken?
Überhaupt: Was ist mit Menschen mit – aus meiner Sicht – unannehmbaren politischen Positionen?
Nicht nur die ostdeutschen Kirchen diskutieren: Dürfen Mitglieder der AfD im Kirchenvorstand oder Presbyterium mitarbeiten? Werden Konfis mit ausländerfeindlichen Haltungen konfirmiert?
Es bleibt die gehörige Spannung aus Korinth: Es soll sich im Abendmahl echte Solidarität untereinander ausdrücken. Es kann christlicherseits keine Rangfolge von Menschen geben, keine niedrigere oder höhere Menschen, wie es etwa völkisches Denken beinhaltet.
Gleichzeitig versprechen unsere Sakramente – Abendmahl und Taufe – fundamental neues Leben und damit die Umkehrmöglichkeit des Menschen und die Vergebung durch Gott. Er lädt uns ein, nicht wir verteilen die Tickets. Aber was, wenn Haltungen und Verhalten nicht zu diesem einladenden Gott passen?
Paulus schreibt nach Korinth nicht, dass jemand nicht dazu gehören darf, sondern den von Jesus abgeleiteten Anspruch, wie die Gemeinschaft im Abendmahl wahrhaftiger wird.
Ein letzter aktueller Gedanke zu dieser Spannung:
Wo zählen wir uns eigentlich selber zu? Gehören wir zu denen im Haus, die schon – bestenfalls gedankenverloren – zu essen beginnen und andere vergessen? Wo es nicht mehr schmerzt, dass der Blick beim Abendmahl – und überhaupt – nicht mehr zu denen geht, auf die wir warten sollten, um sie in unserer Mitte willkommen zu heißen?!
Oder kenne ich Menschen, die sich eher zu denen zählen, die die auf dem Feld noch arbeiten und nicht mehr genug zum Sattfinden vorfinden? – Ich habe zuletzt Menschen gesprochen, die sexuellen Missbrauch in den beiden Volkskirchen erlitten haben. Sie sind in der Gemeinschaft und im Glauben geblieben. Aber sie haben das Vertrauen verloren, dass die Kirche es mit ihren Sakramenten ernst nimmt, dass Reden und Handeln übereinstimmen, dass sie noch Teil der wirklichen Gemeinschaft sein können.
Was macht unsere Gemeinschaft konkret aus?
Was gefährdet sie?
Was stärkt sie?
Ich habe Worte des Paulus auf dem Tisch verteilt. Aufzudecken gibt es einige konkrete Ermutigungen für unser Miteinander aus dem Römerbrief. Vielleicht finden wir in den Austausch über diese Spannungen des Abendmahls: über menschliche Solidarität und die sakramentale Gegenwart Jesu.
Vorschlag: Mit dem Nachbarn kurz ins Gespräch kommen, ggf. mit den Impulsen auf den Zettel oder zu dem, was ich gesagt habe.
Was macht unsere Gemeinschaft konkret aus?
Was gefährdet sie?
Was stärkt sie?