Wir erinnern uns heute an einen Urimpuls des christlichen Glaubens: Jesus saß mit seinen Jünger zusammen und hatte Mahlgemeinschaft. Eine wundersame Geschichte: Der Verräter mit am Tisch. Jesus, der mit dem Brot und dem Kelch auf sein Leben weist, und sein baldiges Sterben andeutet.
Predigt – Lutherkirche Altena
Gründonnerstag
#1Kor 15,17-34
Und einen Weg öffnet, wie man sich seiner erinnern kann: Esst und trinkt miteinander!
Denn: Essen stiftet Gemeinschaft.
Im religiösen Sinne: auch unter uns.
Im kulturellen Sinne: Essen verbindet.
Auf den Fotos ist zu sehen, wie Familien in unterschiedlichen Teilen der Welt essen – und wie viel Lebensmittel sie für eine Woche zur Verfügung haben und verbrauchen.
Es sticht gleich ins Auge: Die Güter dieser Welt sind unterschiedlich verteilt.
Es ist ja schon verrückt: Die Kirche hat sich seit dem Mahl Jesu am Gründonnerstag in der Abendmahlsfrage zerstritten und oft gespalten, es gab Kriege oder es wurden Menschen als Ketzer getötet wie etwa Johannes Hus im 15. Jahrhundert, nur weil er Abendmahl in beiderlei Gestalt, also mit Brot und Kelch vertrat. Reformierte und Lutheraner fanden flächendeckend in Deutschland erst vor 40 Jahren an den gemeinsamen Abendmahlstisch!
Wenn wir als Kirche mit annähernder Energie darauf hinweisen würden, wie ungerecht die Lebensgüter unserer Schöpfung verteilt sind!
II.
Schon Paulus bezieht sich auf Abendmahlsstreitigkeiten der jungen Gemeinde in Korinth. Interessanterweise fallen die religiöse Dimension des Abendmahls und die soziale Seite nicht auseinander. Ganz im Gegenteil: die Frage nach der gerechten Verteilung des Essens ist der Gradmesser dafür, ob das Abendmahl wirklich im Sinne Jesu geschieht, die Gemeinde ein würdiges Glied am Leibe Christi ist.
In der Gemeinde der reichen griechischen Hafenstadt kamen wohl sehr unterschiedliche Menschen zusammen. Was sie wohl zu essen hatten? Sicher sehr unterschiedliche Dinge, je nach Reichtum: Zur Gottesdienst- und Abendmahlsfeier trugen sie ihr Essen zusammen, jeder, wie er konnte und was er hatte. Das Abendmahl machte damals noch satt – so wie unser Mahl heute.
Doch dann führen die sozialen Unterschiede zu Spannungen und Spaltungen im Gemeindeleben: Die Wohlhabende kamen schon früh am Abend zusammen und verzehrten ihre mitgebrachten Speisen. Sklavinnen und Hafenarbeiter, die länger arbeiten mussten, kamen mit ihren Gaben erst später und vermutlich oft zu spät, um noch etwas Vernünftiges oder überhaupt etwas zu essen zu bekommen.
Paulus schreibt folglich, dass es ein Hohn ist, dass die Armen zwar nicht von der spirituellen Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen sind, aber von der materiellen.
Und er spitzt zu: So könnt ihr euch nicht auf Jesus berufen und an sein letztes Mal am Gründonnerstag erinnern!
Bei Jesus gehörte die geistliche Dimension und der körperlichen Sättigung. In den Einsetzungsworten verbindet Jesus dies: Er teilt das Brot und sagt, dies ist mein „Körper“, „dies macht mein Leben aus“: Teilen ist das, wofür ich mit meinem Leben und Menschgewordensein einstehe. Daran erinnert Euch, jetzt und später einmal.
Das Teilen des Brotes kann nicht getrennt werden von Christus, der sich im Brotbrechen selber „mit-teilt“.
Dann esset doch lieber vorher zu Hause, schreibt Paulus!
Denn wo die einen sich den Bauch schon vollschlagen, bevor die anderen überhaupt erst ankommen, könnt ihr euch nicht darauf berufen, Leib Christi darzustellen! Dann nehmt Ihr das Abendmahl „unwürdig“!
Luther übersetzt „unwürdig“ – in der Kirchengeschichte war es das Signalwort der „Kirchenzucht“, um Menschen vom Abendmahl auszuschließen. In der BiGs steht – wohl dem Gedankengang des Paulus angemessen! – „unsolidarisch“: Ihr nehmt Brot und Kelch auf unsolidarische Weise. Tatsächlich steckt im griechischen Wort an-axios das Bild von der Waage: Da ist etwas „unangemessen“, aus dem Lot geraten, schief: Wo Gemeinschaft zerstört wird, wo sie sich als unsolidarische Nichtgemeinschaft erweist, da wird die Gemeinde dem Leib Christi nicht gerecht.
III.
Für mich hat der Bissen Brot am Abendmahlstisch also viel damit zu tun, wie die Güter zwischen uns verteilt sind. Wie solidarisch wir sind.
Wir untereinander.
Aber eben auch mit anderen – und da haben die Fotos von Familien und was sie essen für mich eine spirituelle Dimension.
Bei unserem Pastoralkolleg in Argentinien haben wir diese Bilder betrachtet. Wir haben direkte Zusammenhänge herausgearbeitet, worum die einen so viel zu essen zur Verfügung haben und die anderen so wenig.
Auffällig ist, wie unterschiedlich viel Fleisch auf dem Tisch ist. Fleisch ist heute ein Wohlstandsfaktor. Und auch ein Grund, auf Kosten anderer zu leben, denn wir in Deutschland können gar nicht so viel Futtermittel anbauen und so viel Fleisch produzieren, wie wir essen.
Ein Pfarrer aus Paraguay brachte es auf den Punkt – und das mich nachdenklich gestimmt: „Unsere Kleinbauern kämpfen gegen Multikonzerne an, die unsere Ländereien für den Soja-Anbau pachten wollen, oft auf Kosten des Regenwaldes, der einheimisches Landwirtschaft, oft genverändert und reichlich mit Pestiziden bespritzt. Das Soja dient aber nicht der Ernährung der Menschen dort, sondern werde nach Europa verschifft, um damit Tiere zu mästen für den Fleischkonsum in Europa.“
Und dann sagte er den einfachen Satz: „Uns hilft im Kampf gegen die Soja-Monokultur, wenn ihr etwas weniger Fleisch esst!“
IV.
Heute sitzen 16 verschiedene Länder mit an unserem Abendmahlstisch. Heute sitzen an sich schon unterschiedliche Menschen zusammen.
Das Abendmahl hat den Anspruch, dass die Menschen, die sich auf Jesus berufen, solidarisch miteinander umgehen.
Es hat gleichsam auch den Zuspruch, dass uns vergeben wird, wo wir an diesem Anspruch scheitern.
Jedes Mal neu können wir uns beim Abendmahl aber darauf besinnen und nachdenken, wie wir den Leib Christi möglichst „würdig“ darstellen können.
Paulus hat kein konkretes Rezept, aber er nennt Möglichkeiten und Kriterien, wie es zu einer wirklichen Gemeinschaft kommt, nicht nur zu einer symbolisch-sakramentalen.
Daher feiern wir einmal im Jahr Abendmahl an Tischen, rücken sakramentale Gemeinschaft und soziales Beisammensein so eng zusammen. Spüren etwas von der Wirksamkeit und Macht, die von der Gemeinschaft Jesu – einst mit seinen Jüngern, heute im Teilen von Brot und Kelch – ausgeht.
Eigentümlicherweise findet sich in Vers 33 Ankläge der Jahreslosung wieder:
33Deshalb, meine Geschwister, wenn ihr euch versammelt, um gemeinsam zu essen, nehmt einander an.
Genau das führt zurück auf den, der uns angenommen hat, bedingungslos, solidarisch und liebevoll. Brot des Lebens – so wie ein Bissen Brot uns untereinander stärkt. Amen.