Der Geist von Spietz (Predigt Pfingsten 2014 zu Röm 8,1-11)

Kennen Sie den Geist von Spietz? Der soll im Hotel Belvedere geboren worden sein, 1954 das Mannschaftsquartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Er drückte die Philosophie des Fußballlehrers Sepp Herberger aus: „Alle für einen – einer für alle.“ – „Elf Freunde müsste ihr sein…“

Predigt – Lutherkirche Altena

Pfingstsonntag #Röm 8,1-11

Der Geist von Spietz schaffte ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl, bis hin zu gemeinsamen Bootsfahrten, auf denen die Fußball fröhliche Wanderlieder anstimmten.

 

Ähnlich der Geist an Pfingsten, der ja auch viele verschiedene Gaben, aber einen Geist bezeichnet? (1Kor 12,4)? Wo es auch um eine unsichtbare und schwer zu zu umschreibende Kraft geht, die plötzlich spürbar war und eine besondere Wirkung entfaltet hat?

 

II.

Szenenwechsel: Am Freitag wurde im Burggymnasium eine Ausstellung eröffnet: 100 Jahre Friedensbewegung in dieser Region. Eine Ausstellung, die uns zeigen möchte: Denkt nicht (nur) an 100 Jahre Erster Weltkrieg, sondern daran, dass mindestens schon 100 Jahre lang Menschen sich auch für den Frieden eingesetzt haben.

 

Auf einer Ausstellungtafel steht ein Zitat aus der Satzung der UNESCO, der Bildungs-Organisation der Vereinten Nationen, von 1946: Dort wird auch ein Geist beschworen: „Kriege haben ihren Ursprung im Geist des Menschen und daher muss der Schutz des Friedens gleichfalls im Geist des Menschen errichtet werden.“

 

Ähnlich der Geist an Pfingsten, der ja auch ein Geist des Friedens war? Interessanterweise hat die Friedensbewegung ja die Taube, das Symbol des Heiligen Geistes, für sich übernommen hat. Und Jesus sagt doch in der Bergpredigt: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Mt 5,9).

 

III.

Aber wie dann die Geister unterscheiden? Die UNESCO formuliert genauso: Auch „Kriege haben ihren Ursprung im Geist des Menschen“. Das ist 1946, ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg, ein bitter-wahrer Satz: Kriege fallen nicht vom Himmel, sondern entstehen im Geist des Menschen.

 

Oder genauer geschafft auf den „Geist von Spietz“: Das mögen elf Freunde gewesen sein – ja. Aber der Trainer Sepp Herberger schottete seine Mannschaft komplett von der Außenwelt ab. Nicht einmal die Ehefrauen durften ins Mannschaftshotel. Das schmälert ja nicht den sportlichen Erfolg, nicht die Bedeutung WM-Titels für die Nachkriegsgesellschaft. Aber ich frage mich: Was genau für ein Geist war das denn nun? Vielleicht doch nur eine Erfindung oder ein Zerrbild?!

 

IV.

Wie die Geister scheiden? Warum eigentlich die Geister unterscheiden? Heute, so könnte man schnell meinen, darf doch jeder für wahr halten, was er möchte. Es gibt viele Geister, den man sich anschließen kann …

 

Für Paulus mitnichten!

 

Er schreibt an die Römer im 8. Kapitel von der strikten Scheidung der Geister. Es geht ihm um die Freiheit von den falschen Geistern, die er mit der Sünde, dem Tod, dem Gesetz, dem „Fleischlichen“ bezeichnet. Und er schreibt den Römern vom rettenden Geist Jesu Christi, dessen Auferweckung die Abhängigkeit von den falschen Geistern ein für alle Mal durchbrochen hat:

 

1 So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. 2 Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. …
9 Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. 10 Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. 11 Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.

 

Lebendig durch Gottes Geist – dem Tod geweiht, wer nach dem „Fleisch“ lebt. Paulus scheint ganz gefangen zu sein in den Gegensätzen eines Schwarz-Weiß-Menschen- und Weltbildes.

 

Was heißt „fleischlich“? Meint er damit eine Leibfeindlichkeit, die die Kirchen viele Jahrhunderte vertreten hat? Und ist „Geist“ dann so etwas wie eine weltfremde Entrückung von der irdischen Wirklichkeit, der manche pfingstlerischen Gruppen heute erliegen?

 

Oder könnte diese schroffe Unterscheidung des Paulus gerade helfen, die Geister heute zu unterscheiden?

 

V.

Mit „Leben im Fleisch“ meint Paulus wohl nicht vorrangig die Sexualität des Menschen. Und „Sünde“ bezeichnet keine moralische Verfehlungen. Ihm geht es hier ausschließlich um die Beziehung des Menschen zu Gott und zu Jesus Christus.

 

„Leben im Fleisch“ meint alles das, was den Menschen an sich – und nicht an Gott! – bindet. Wo der Mensch um sich selber kreisen lässt. Was ihm oft in „Fleisch und Blut“ übergegangen ist eben nicht mit der Ewigkeit zu tun hat: der Egoismus, die Selbstverliebtheit, das Machtstreben auf Kosten anderer. Die Angst, immer zu kurz zu kommen. Allmachtsphantasien.

 

Paulus meint Dinge, wo der Mensch in sich verkrümmt und gefangen bleibt, weil er sich nicht abheben kann aus dem Alltagseinerlei. Oder sich an allzu weltliche Dinge bindet wie Geld. Oder an allzu körperliche wie Gesundheit, die oft zur Religion wird. Trügerische Freiheiten – und nach Paulus eben der Geist der Unfreiheit.

 

Wenn Sie einmal das Bild auf dem Gottesdienstprogramm, eine wirklich lebensgroße Skulptur, die seit 2001 in Philadelphia/USA steht, zunächst nach ganz links: Da ist der der Mensch eingepasst, statisch, bewegungsunfähig, in sich selbst, in seinem „Fleisch“ gefangen.

 

Paulus will demgegenüber die Frohe Botschaft nach Rom weitersagen, dass uns im Gegensatz dazu der Geist Gottes lebendig und frei macht: Ihr seid frei. Ihr seid „geistlich“ – das ist das Gegenwort und das Unterscheidungsmerkmal! Uns bindet hier auf Erden nichts außer das Vertrauen auf den befreienden Geist Gottes!

 

Ich kann das nicht anders erklären als mit dem Wunder und dem Geschenk der Taufe, die wir heute miterlebt haben: Wir vertrauen darauf, dass in der Taufe der Geist Gottes auf Lilli gekommen ist. Sie gehört zu Jesus Christus, dem Auferstandenen. Sie hat Anteil am ewigen Leben, das heißt: Es gibt eine Dimension über alles Weltliche, alle weltlichen Bindungen, hinaus.

 

Sie haben als Taufspruch den Vers aus Ps 91,11 ausgewählt: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“

 

Nehmen wir ernst, dass in der Taufe der Geist des Auferstandenen auf Lilli gekommen ist, dann ist dieses „“Behüten“ weit mehr als eine Begleitung eines Schutzengel, der aufpasst, das einem nichts Böses passiert. Dann ist es die Verheißung, dass Gott Lilli so frei macht, dass selbst das Böse ihr nichts antun und sie aus der Bahn werfen kann. Das gilt selbst über ihre Lebensdauer hinaus!

 

In Philadelphia steht im Vordergrund der Skulptur ein befreiter und aufrecht gewordener Mensch. Er regt sich dem Himmel entgegen. Er ist frei geworden – langsam aus seiner Gefangenheit herausgetreten. Die Taufe ist dieser Anfang. Und jeder Erinnerung im Gottesdienst an diese Taufe ist eine neue Vergewisserung, dass wir mit dem Geist Gottes erfüllt sind und immer wieder neu aufgerichet werden.

 

 

VI.

Damit sind wir wieder bei Geist von Spiez und beim Geist des Menschen zum Friedens, den die UNESCO beschwört. Wer so frei im Leben steht, wie die herausgetretene Bronze-Skulptur, der weiß plötzlich um die Beeinflussbarkeit des Lebens durch die eigene Kraft und den eigenen Mut. Er lamentiert nicht über die Unveränderbarkeit der Lebensverhältnisse – unveränderbar sind sie tatsächlich nur für den Menschen ganz links hinten in der Skulptur, nicht aber für den Befreiten im Vordergrund.

 

Aber im Gegensatz zu den vom Menschen selbst titulierten Geistern – sei es der Geist von Spiez oder der Geist des Menschen zum Friedens – kommt der Geist Gottes auf uns zu, überrascht und beflügelt uns. Er ragt eben über unsere Kräfte hinaus – und sogar über unsere Lebenszeit hinaus. Er verschafft uns die Freiheit, die Geister in dieser Welt zu unterscheiden!

 

VII.

Der Text Römer 8 ist von Johann Sebastian Bach musikalisch in einer Motette umgesetzt worden. Ich habe die Musik dabei im Kopf. In der Motette kommt der Choral „Jesu meine Freude“ vor, das Lied, was wir nun singen wollen. Das Lied benennt unausweichliche Trennung der Geister. Es besingt die Bindung an Jesus Christus und kann den Sünden, also dem Hängen am Eigenen, schlicht „Gute Nacht“ sagen! Welch ein Pfingstfest!