„Ihr Ziel befindet sich in einer nicht befahrbaren Straße“, so hätte vielleicht das Navigationssystem gesprochen. Aber die drei Weisen haben nicht die moderne Satelliten-Technik zu Rat ziehen können, sondern sie haben in die Sterne geschaut.
Predigt 2. Weihnachtstag
Lutherkirche Altena
Zum „Stern von Bethlehem“ (Weihnachtsmusical)
Und überhaupt sind da viele kleine feine Unterschiede zu erkennen zu der Art, wie wir uns heute führen lassen, wenn wir einen Weg vor uns haben: Was hätten die Weise denn überhaupt als Ziel eintippen sollen? Von Bethlehems Stall als Ziel wussten sie gar nichts. Vielleicht wären sie auch gar nicht losgereist – denn mit ihren kostbaren Geschenken waren sie auf diesen Ort nicht eingestellt.
Und würden sie überhaupt am Stall von Bethlehem hören „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, wo wir doch wissen, dass diese Geschichte erst noch so richtig weitergeht und ihre Reise zum Heimatort an Herodes Palast vorbei gehen wird, um Jesus das Leben zu retten.
Und überhaupt: Könnte ein Navi überhaupt die Funktion übernehmen, die der Stern in der Weihnachtsgeschichte hat?
Es ist doch eine Unterschied, ob ich einem Stern folge – oder ob das Navi Kontakt zum Satelliten aufnimmt.
In der Weihnachtsgeschichte kommen Menschen vor, die sich an den Sternen orientieren. Das ist weit mehr als eine Fernsteuerung per Satellit. Es ist viel weniger eindeutig. Es funktioniert nur, wenn der Himmel klar ist. Es braucht viel Geduld. Wer schon mal versucht hat, am Nachthimmel ein bestimmtes Sternbild auszumachen (außer vielleicht dem Großen Wagen), weiß, wie schwierig das sein kann.
Noch viel schwieriger als einen Stern zu finden, ist, einem Stern zu folgen. Wir suchen uns einen Stern aus und folgen ihm. Nicht nur, dass wir ihn in den Tälern des Märkischen Kreises des öfteren aus den Augen verlieren würden und so mancher Umweg nötig wäre – es ist aufgrund der Entfernung doch fast unmöglich, einem Stern zu folgen!
Die Weisen aus dem Morgenland machen das aber! Und sie machen es gerade weil der Ort nicht genau bekannt ist, aber das Ziel klar im Blick ist: Wir wollen den neugeborenen König anbeten!
Einem Stern folgen: das heißt – ganz im Gegenteil zum Navi – selber eine Richtung haben, und doch immer wieder entscheiden müssen, welcher konkrete Schritt mich jetzt in diese Richtung bringt. Einem Stern folgen – das ist eine anspruchsvolle, aber auch aufregende Art, den eigenen Weg zu finden.
Die allerwichtigste Entscheidung kann uns sowieso keiner abnehmen, auch kein Navigationssystem. Selbst da muss man ja vorher eingeben, wo man eigentlich hin will. Welchem Stern will ich folgen? Es gibt mindestens so viele Lebensziele, Wunschträume und Vorbilder wie Sterne am Himmel. Wo liegt der Sinn meines Lebens? Wo ist der Grund wahrer Lebensfreude? Wo bekomme ich Boden unter die Füße? Wo kann ich mit meinen menschlichen Schwächen bestehen? – An der Krippe, wo die Frage nach Gott, nach unserem Heil, nach unserer Zukunft sich fokussiert auf diesen einen unwiderbringbaren Moment: der Freude über ein neugeborenes Kind.
Die Weisen aus dem Morgenland waren klug und begabt – das beweist ihre Himmelskundigkeit. Sie waren reich – das beweisen ihre Geschenke. Doch das alles genügt ihnen nicht. Sonst hätten sie ja zu Hause bleiben können.
Sie wussten: Es muss mehr und besseres in der Welt geben als Reichtum und Schönheit, Klugheit und Macht. Sie hielten sehnsüchtig Ausschau nach einem Stern, der größer und heller war als alles, wonach sie sich bis dahin gerichtet hatten. Eines Tages entdecken sie diesen Stern dann tatsächlich: den Stern von Bethlehem. Und da lassen sie alles stehen und liegen, um diesem neuen, anziehenden Stern zu folgen.
Dieder Stern ist mehr als nur ein Wegweiser. Der Stern ist ein Symbol für Gottes Sohn. So wird es bereits im Ersten Testament verheißen: „Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel“ Und wir singen bis heute vom „helle Morgenstern“.
Warum ist Jesus der Morgenstern? Weil der Morgenstern der größte und hellste der Sterne ist. Weil dieser Stern nicht nur eine Richtung angibt, sondern wie ein leuchtendes Versprechen ist – das Versprechen eines neuen Tages, einer neuen Zeit!
In Jesus leuchtet das Versprechen einer neuen Zeit auf, in der Ungerechtigkeit und Leid, Unfriede und Tod endgültig besiegt sind. Von diesem Stern her strahlt uns das helle Licht einer Welt voller Liebe und Frieden an – gerade auch in unsere Dunkelheiten hinein, in unsere Ängste und Sorgen. In die Schattenseiten unserer Seele.
Im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach erklingt der Choral „Brich an du schönes Morgenlicht“ genau in die Furcht der Hirten hinein: „Und sie fürchteten sich sehr.“ Dann der Choral: „Brich an du schönes Morgenlicht / und lass die Himmel tagen!“ Und dann geht das Evangelium weiter mit dem Engel, der sagt: „Fürchtet Euch nicht!“
Lass die Himmel tagen – der Stern von Bethlehem steht auch dafür, dass Gott in eigener Sache größtmögliche Klarheit schafft, Licht ins Dunkle bringt, sich zeigt („Die Klarheit des Herrn leuchtete über sie …“). Es ist dieser großer Begriff aus der Bibel im Ersten und Zweiten Testament, der mal „Herrlichkeit Gottes“ genannt wird, mal Gottes Gottes, mal Klarheit oder „Schein“. Die Begriffe haben alle mit „Licht“ zu tun: In dem Kind schafft Gott Klarheit, wer er ist: wahr Mensch und wahrer Gott.
Damit steht dieser Stern nicht nur über dem Stall von Bethlehem, sondern auch über Eurem und meinem Leben. Jesus Christus kann uns den Weg weisen zu einem Leben, das erhellt wird von Gottes Liebe. An Weihnachten sind wir plötzlich ganz nah dran …
Wir loben selber (wie die Engel), wir versprühen selber Licht in der Dunkelheit (wie der Stern). Wir nennen uns Christen (folgen also Jesus, dem Christus, nach) .
„Wir stehen im Stall an der Krippe“ (singen die Weisen) . Wir singen mit den anderen Zeugen dieser Nacht („Kommet ihr Hirten“)
Dahin können uns keine Satelliten leiten. Aber unser Herz und unser Mut. Amen.