Nichts eingefallen (Pfingsten 2012 zu 1Kor 2,12-16)

Mir ist nichts eingefallen! Ich habe mir den Text Anfang der vornehmen, bin mit ihm durch die Woche gegangen, so wie immer. Normalerweise wird er durchs Leben, durch Begegnungen und Erlebnisse besteubt wie eine Blume von einer Biene besteubt wird.

Predigt Pfingstsonntag – Lutherkirche

1Kor 2,12-16

 

Diesmal ist aber nichts passiert!

Das ist ein äößerst unangenehmes Gefühl!

 

Kann man als Prediger leere Blätter abgeben wie ein Schüler, der nicht gelernt hat?

 

Was ist zu sagen zu diesem Text, dass es nicht nur eine Zusammenfassung wissenschaftlicher und theologischer Erkenntnisse ist, sondern eine „begeisternde“ Verkündigung wird?

 

Ich war diese Woche mitten drin in der wohl entscheidenden und schwierigsten Fragen, mit der ich mich in meiner Zeit im Predigerseminar immer wieder auseinander gesetzt habe: Was macht eigentlich eine gute Rede zu einer guten Predigt? Wie bekommt meine Rede den Geist, dass die Frohe Botschaft rüberkommt?

 

Ich habe versucht, diesen Text immer und immer wieder vorzunehmen, habe ihn zerschnitten und wieder zusammengeklebt, habe ihn laut gelesen – er ist wunderbar

 

Das ist kein Predigttrick jetzt, kein Understatement, um hinterher zu hören: Ich höre Ihren eigentlich immer gerne zu … Es ist wirklich die Frage gewesen: Wie sage ich die Frohe Botschaft (weniger: Was sage ich?).

 

II.

Denn „Was sage ich?“ ist mit dem Text recht leicht gesagt:

 

II.

Paulus schreibt von der Weisheit Gottes an die kleine Gemeinde in der großen weltliche Hafenstadt Korinth und stellt scharfe Gegensätze auf: Orientiert Euch nicht am Geist der Welt! – Damals sicher die schnöde Habgier und Gewinnsucht im Handeln und Schiffsverkehr, die harte Arbeit zu Meer und die Unstetigkeit im Lebenswandel zu Land.

Ihr Christen sollt / Ihr könnt anders sein: Gott hat Euch seinen Geist geschenkt – in der Taufe schon!

Ihr redet anders, über den Sinn des Lebens, über das, was Euch etwas wert ist.

Mehr noch: Euer Leben geschieht in einer ganz anderen Dimension, mit einem Sinn mehr quasi: Euch ist nicht nur das Hirn und der Verstand gegeben, sondern: Ihr könnt die Dinge geistlich wenden, vor der Erfahrung Gottes und mit dem Vertrauen zu Gott bewerten. Ihr seid geistliche Menschen, nicht nur natürliche.

Schlicht in einem Satz zusammengefasst: „Wir haben Christi Sinn“.

So wie die Jünger einst ausgesandt wurden in die Dörfer, zu predigen und zu heilen, so ist es auch den Nachfolgern verheißen, in Korinth, über Jerusalem und Israel hinaus: Der Auferstandene ist an Himmelfahrt zum Vater im Himmel zurückgekehrt – aber (wie es im JohEv heißt) er hat den Geist zurückgelassen, mit die Getauften, die „Christen“, mit Gott Vater und Sohn verbunden bleiben. Sie können ihr Leben in seinem Geiste, in seinem Sinne leben.

Das schreibt Paulus an die Korinther.

So klang es gerade auch in der Lesung aus der Apg:

Unter Brausen und Helligkeit ergreift der Heilige Geist Menschen und verwandelt sie. Es ist die Schöpfung der Kirche durch den Heiligen Geist – Geburtstag der Gemeinde, der K;irche. Der Geist Gottes, hebräisch „ruach“, das ist der Sturm, der – so erzählt’s die Schöpfungsgeschichte – das Chaos in Bewegung bringt und die Ordnung des Lebens fügt. Der Geist zu Pfingsten, griechisch „pneuma“, ist der Sturm, der Menschen erfasst und neu formt. Da fallen die Grenzen unterschiedlicher Sprachen. Da begegnen sich Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Klassen. Unbekannte finden Freunde. Angehörige verfeindeter Nationen sitzen an demselben Tisch. Pfingsten wirkt heilend für die Menschen, die in babylonischer Sprachverwirrung leben. Es erklingen Stimmen zum Lob Gottes. Es entsteht die Kirche als Vorhut für das universale Reich Gottes, das als Reich des Friedens und der Gerechtigkeit allen Menschen versprochen ist.

 

Aber ich bin immer noch bei der Frage: Wie kann ich’s heute sagen? Wie weht der Geist bei uns? Wie passiert es, wie es im Oster-/Pfingstlied heißt: Zu jeder Zeit in jedem Land kann plötzlich was geschehn. Die Menschen hören, was Gott will, und können sich verstehn. Hört, hört, hört, hört, und können sich verstehn?!

 

III.

Am Ende der Woche habe ich einen sehr hohen Altengeburtstag besucht. Eine große Ehre. Eine feierliche Atmosphäre, voller Dankbarkeit für ein langes Leben. Die Jubilarin saß munter und fröhlich in einem Ohrensessel, ließ nicht ohne Stolz über sich ergehen, dass der Bürgermeister einige Glückwunschurkunden vortrug, vom Landrat, von der Ministerpräsidentin. Dann richtete sie ihren festen Blick auf mich: Bescheiden, fast schon beiläufig berichtete sie aus ihrem bewegten Leben, das noch in der Kaiserzeit begann.

 

Und dann sagte sie: „Mein Konfirmationsspruch lautete: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“

Ein pfingstlicher Vers aus dem Röm.

Und als ob sie ihn für sich und ihr langes Leben gleich interpretieren wollte, sagte sie: „Ich habe nichts dazugetan!“

 

Am Ende der Woche ist mir also dann doch genau das passiert, was mir Pfingsten und diesen Text aufgeschlossen hat.

 

Das war ein ganz kleiner Moment, eine andere Tiefe und eine andere Dimension der Begegnung. Ein heiliger Moment, wo ich reichlich beschenkt wurde mit der Glaubenskraft einer alten Frau, die vom Geist Gottes sprach, von ihrer Kindschaft im Glauben durch den Röm-Vers – und vor allem diese Interpretation hinterherschob: „Ich habe nichts dazugetan!“

 

 

IV.

Wenn das nicht für alle Getauften gilt, auch für die predigenden Getauften! – Keiner kann Gottes Geist auf diese Kanzel zwingen. Wir können unsere Gottesdienste sorgfältig planen, der Kantor mit dem Chor schöne Musik raussuchen, wir können versuchen, eine menschenfreundliche Gemeinschaft zu sein, wenn Sie in die Kirche kommen. Aber das alles nimmt dem Heiligen Geist keine Arbeit ab.

 

Er weht, wo er will. – Gott sei Dank tut er das: In solchen kleinen Momenten wie einem Geburtstagsgespräch.

In anrührenden Begegnungen zwischene Menschen, die nicht auf ihre Weisheit und ihren Verstand bauen, sondern bewusst diese andere Dimension in ihr Leben einbauen.

Auch in den großen Zusammenhängen: Wenn Menschen aus ihrem Glauben heraus sich einsetzen für mehr Gerechtigkeit, für Frieden und Schöpfungsbewahrung.

 

Oft sagen Menschen ja, den Glauben habe ich für mich – ich muss nicht zur Kirche gehen.

Richtig ist daran, dass Glaube immer individuell ist. Schwierig daran finde ich – gerade mit Blick auf Pfingsten – , dass er danach drängt, mit anderen geteilt und gefeiert zu werden. Glaube führt in die Verantwortlichkeit für einander, in die diakonische Tat, privat, ehrenamtlich oder professionell.

 

Wenn die alte Frau ihren Glauben für sich behalten hätte – dann hätte ich heute wirklich leere Blätter vor mir gehabt!

 

V.

Pfingsten hat viel mit der Entdeckung der Reformation zu tun, dass wir mit leeren Händen vor Gott stehen und alle, was wir haben und sind, aus seiner Hand nehmen.

Egal ob uns ehrenamtlich in der Gemeindeleitung engagieren, ob wir Gruppen leiten oder besuchen, ob wir Musik machen in dieser Gemeinde, den Küsterdienst versehen oder eben predigen sollen – wir können nur auf diese weitere Dimension des Geistes vertrauen, dass er da ist und dass er kommt. Dass er all die Gaben bringt, die Jesus ,mit dem Kommen des Geistes verspricht: dass er tröstet, dass er Grenzen überwindet, dass er uns Wind in die Segel bläst, uns erfrischt, wie uns das Taufwasser am Anfang unseres Christseins erfrischt hat. Dass er uns Mut macht, unsere Weisheit und unseren Verstand zu nutzten, uns in die Welt zu mischen und sie mit zu gestalten – aber dass wir es tun als „geistliche“ Menschen, die die Tür offenhalten für den Geist Gottes. Da haben Christen in einen Sinn mehr – und die Welt braucht diesen Sinn!

Der Geist wird nicht in jedem Moment zu spüren sein. Man wird immer wieder ringen und fragen: Wo ist Gott denn nun? Wozu Glaube und Kirche? Und vor allem „wie“!

Aber dann wird es immer wieder diese Momente geben, die überall passieren können und meistens dort und dann passieren, wenn wir sie nicht erwarten. Es können Momente sein, über die ganze Predigten entstehen. Ja weit mehr noch: die ganze Leben verändern können, weil man Gott entdeckt und vom natürlichen Menschen zum geistlichen wird. Momente, die die gesamte Verheißung Gottes, vom Anfang der Welt bis über unser Dasein hinaus, aufblitzen lassen: wie gut er es mit uns meint, wie anrührend und reich des Leben sein kann in seinem Angesicht.

Ein portugiesischer Seifen-Fabrikant sprach mit einem Pfarrer über seine Zweifel: „Das Christentum hat nichts erreicht“, sagte er. „Obwohl es schon 2000 Jahre gepredigt wird, ist die Welt nicht besser geworden. Es gibt immer noch Böses und böse Menschen.“

Da zeigte der Pfarrer auf ein ungewöhnlich schmutziges Kind, das am Straßenrand im Dreck spielte und bemerkte: „Seife hat nichts erreicht. Es gibt immer noch Schmutz und schmutzige Menschen in der Welt.“

„Seife“, antwortete der Seifen-Fabrikant, „ nutzt nur, wenn sie angewendet wird.“ „Christentum auch“, sagte der Pfarrer.