Wo ist Opa jetzt? (Ostern 2012 zu 1Kor 15,50-58)

[Eigene Übersetzung] 50 Eines müsst ihr wissen, Geschwister: Mit einem Menschenleben aus Fleisch und Blut können wir nicht an Gottes Reich teilhaben, dem Erbe, das er für uns bereithält. Das Vergängliche hat keinen Anteil am Unvergänglichen.

Predigt – Luther-Kirche

Ostermontag #1Kor 15,50-58

51 Ich sage euch jetzt ein Geheimnis: Wir werden nicht alle sterben [bis zur Wiederkunft Christi], aber wir werden alle [leiblich] verwandelt. 52 In einem einzigen Augenblick wird das geschehen, und zwar dann, wenn vom Himmel her die Posaune zu hören ist, die das Ende der Zeit ankündigt. Sobald die Posaune erklingt, werden die Toten aufstehen als Unvergängliche, und auch wir [Lebende] werden verwandelt werden. 53 Denn wer jetzt vergänglich ist, der soll das Kleid der Unvergänglichkeit anzuziehen; wer jetzt sterblich ist, soll das Kleid der Unsterblichkeit anziehen. 54 Und wenn das geschieht – wenn das Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet wird und das Sterbliche mit Unsterblichkeit –, dann geht die Aussage in Erfüllung, die in der Schrift steht:

»Der Tod ist auf ganzer Linie besiegt! «
55 »Tod, wo ist dein Sieg?
Tod, wo ist dein tödlicher Stachel?«

56 Der Stachel, der uns den Tod bringt, ist die Sünde, und dass die Sünde solche Macht hat, liegt am Gesetz. 57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg schenkt durch unsern Jesus Christus, unseren Herrn.

58 Haltet daher unbeirrt am Glauben fest, meine lieben Geschwister, und lasst euch durch nichts vom richtigen Weg abbringen. Setzt euch unaufhörlich und mit ganzer Kraft für die Sache des Herrn ein! Ihr wisst ja, dass das, was ihr für den Herrn tut, nicht vergeblich ist.


Kinder trauen sich noch was. Wenn jemand in der Familie oder Nachbarschaft gestorben ist, dann kommen sie mit ihren Fragen: Wo ist er jetzt? Kriegt sie jetzt Flügel? Sieht sie mir zu?

 

Manchmal bewegen sich die Gedanken in die biologische Richtung. Was passiert in der Erde mit der Leiche, die wir begraben haben? Verwest der Körper?

 

Beide Aspekte gehören zusammen, denke ich: Sag mir, wo der Himmel ist (und wie!) – und: Was passiert mit unseren Toten in der Erde?

 

Wir wissen heute viel mehr als Menschen vergangener Jahrhunderte. Viele Rätsel des Menschseins scheinen gelöst. Medizin, Gentechnik und Biologie bestimmen das Leben. Ein rationales Weltbild. Auch gut vorstellbar ohne Gott.

 

Oft sagen Erwachsene auch, „mein Kind soll sich später selber mal entscheiden, ob es Gott braucht oder nicht.“ Alles schön und gut.

 

Aber plötzlich steht ein Kind da, und wir Erwachsene sind gefordert: Wo ist Opa jetzt, wo er tot ist?

 

Auf die einfachen Fragen der Kinder am Grab haben wir nur schwer eine Antwort parat. Ob uns das Generationen vor uns voraus hatten? Haben wir es verlernt, vom Himmel zu sprechen? – Einst trieb das Osterlachen die Angst vor dem Tod aus, das Leben gab dem Tod der Lächerlichkeit preis, triumphierend und herausfordernd: Tod, wo ist dein Stachel, wo ist dein Sieg? – Verloren, ein für alle Mal verloren!

 

Die Kinder machen es uns oft vor: Dort oben, da steht sicher auch ein Klavier, sagte ein kleiner Junge, als der Oper starb, der gerne Klavier gespielt hatte. Und Opa wird sich ans Klavier setzen und sein Lieblingslied spielen. Pause. Und plötzlich sagte der Junge: Und danach mein Lieblingslied, und das von Oma …

 

„Was jetzt vergänglich ist, soll das Kleid der Unvergänglichkeit anziehen“, nennt Paulus das, was der Junge da geleistet hat: Er findet Bilder aus unserem irdischen Leben und überträgt sie in den Himmel. Ummantelt Vergängliches mit dem Unvergänglichem.

 

II.

So weit so gut. Aber ist es das schon, was Paulus der Gemeinde in Korinth ins Stammbuch schreiben möchte?

 

Paulus schreibt nicht unbedingt über den Moment, an dem ein einzelner Mensch stirbt. Er schreibt über den Auferstehungstag aller Menschen und die Wiederkunft Christi. Das sollte damals noch zu Lebzeiten sein. Aber dann starben die ersten Gemeindeglieder. Was wurde aus ihnen in der Zwischenzeit? Und wie ist es für die lebenden Gemeindeglieder, von denen einige wohl einen Bogen um den Auferstehungsglauben machen? Sie wähnten sich auch so schon im Licht des Heils.

 

Mit Blick auf den Auferstehungstag spricht Paulus beiden Personengruppen, die schon Verstorbenen und noch Lebenden, zu: Euer Leben wird verwandelt (v. 51): weg von der Vergänglichkeit (Verweslichkeit), hin zur Unvergänglichkeit (Unsterblichkeit).

 

Und dann dieses Bild: Die Gräber werden sich öffnen. Die Posaune erklingt vom Himmel.

 

III.

Beschreibt Paulus den Himmel, mit dem Schall der Posaune, ähnlich einfach, oder gar naiv, wie ein Kind mit einem Klavier, an dem der Opa spielen kann? – Oder noch härter gefragt: Was will der Text sagen in unsere Welt, in der wir es schon schwer genug haben, die Auferstehung Jesu an Ostern weiterzusagen?! Nun geht es um die apokalyptische Vorstellung der Unvergänglichkeit aller Menschen an einem Letzten Tag!

 

Was können wir für Ostern 2011 hören?

 

  1. Für mich steckt hinter dem Bild vom Auferstehungstag mit den Posaunen und den sich öffnenden Gräbern ein Ur-Vertrauen, dass Gott es mit dieser Welt am Ende ihrer Zeit gut zu Ende bringt. Ein neuer Himmel, eine neue Erde sind versprochen. So wie die Welt einen guten Anfang nahm in der Schöpfung und uns das Leben geschenkt wurde, so wird Gott sie halten bis zuletzt und neu machen.

 

Dass diese Verheißung sich erfüllt, hat mit der grundlegenden Entscheidung an Ostern zu tun: An Ostern ist der Tod ist besiegt. Er ist noch in der Welt – o ja, das spüren und hören wir jeden Tag: Aber der Tod hat nicht mehr den zerstörerischen Todesstachel (Peitsche). Gott hat schon alle erdenklichen Kämpfe gewonnen. Er hat Jesus, seinen Sohn, nicht im Tod gelassen. Die Evangelien berichten vom leeren Grab, von der Freude, die die Frauen und dann die Jünger erfreut: Wenn Ihr Jesus sucht – hier werdet ihr ihn nicht finden. Wenn ihr das Leben ergreifen wollt, geht weg vom Grab. Er lebt.

 

Wie immer das vorstellbar ist: Im Glauben daran, dass Gott Jesus auferweckte, hat das Leben über den Tod gesiegt – und ganz persönlich ist unser Leben gerettet, heute und morgen und ewiglich. Tod, wo ist dein Sieg?!

 

  1. Wir werden verwandelt, sagt Paulus. Und Paulus schreibt selbst schon verwandelt: mit so wenig Betroffenheit vom Tod, kaum mit Ängstlichkeit oder Sorge, sondern er findet Worte und Bilder, die jubeln, aus denen Freude und Gewissheit sprechen. Der Tod ist verschlungen vom Sieg! Gott wird gedankt. Er lässt uns durch Jesus teilhaben an seinem Sieg über den Tod.

Paulus ermutigt mich, mir über meinen Tod keine Gedanken mehr zu machen, sondern mich ganz auf das Leben zu konzentrieren. Sei fest und unerschütterlich. Mach weiter mit der Arbeit, zu der du berufen bist, denn diese Arbeit ist nicht vergeblich! „Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren auferstandenen Herrn Jesus Christus!“

Diese Vision vom Auferstehungstag prägt doch mein Leben im Hier und Jetzt. Dabei ist hier das ganze Leben im Blick, nicht nur das Lebensende. Am Ende ist es möglicherweise einfach zu spät. Ein gewissenhafter, nun allerdings auch nicht unbedingt fröhlicher Blick auf meinen Tod, wie ich ihn mit Paulus wage, macht mir das Leben, wie ich es jetzt noch erlebe, wertvoll und lieb. Mich treibt nicht mehr der Stachel des Todes durch das Leben.

Nein, der Tod soll mich nicht (mehr) durchs Leben treiben: Ich rechne nicht, wie viel Lebenszeit noch statistisch bleibt. Ich überschaue nicht, was ich bereits alles verpasst haben könnte. Ich verstricke mich nicht im Anspruch, was ich noch erleben muss. Dass dem Tod der Stachel gezogen ist, bedeutet Freiheit: von aller Selbstbezogenheit und dem Egoismus, noch unbedingt etwas besitzen und haben zu müssen.

Mich treibt die Freude über das Leben an sich an. Und die Hoffnung, dass ich geborgen bleibe bei Gott, selbst im Tod und über mein irdisches Leben hinaus, sei es, dass ich den Auferstehungstag der Schöpfung einst als Toter oder Lebendiger erlebe.

 

III.

Ob wir wieder mehr Mut und Hoffnung haben, vom Himmel zu sprechen? Ob wie – wir Kinder – es schaffen, unserer Vergänglichkeit etwas Unvergängliches anzuziehen? Schaffen wir es, das, was uns hier im Leben gut und wichtig ist, ganz selbstverständlich auch im Himmel zu wähnen?

 

Hanns Dieter Hüsch, der rheinische Musikant, Kabarettist und Christ, hat mal „Ein kleines Buch aus heiterem Himmel geschrieben“. 2005 verstarb er. Ob er seinen Weg in den Himmel letztlich so „verwandelt“ gegangen ist, wie er es schreibt, wissen wir nicht. Aber er hat aus dem Vergängliches heraus das Unvergängliche zu beschreiben versucht, mit der christlichen Heiterkeit und Lebensfreude:

 

In den Himmel kommen

Also gehe ich dann gleich

Das Notwendigste hab ich ja sagte ich

Und pass auf dich auf, sagte meine Frau

Und vergiss nicht anzurufen, wenn du angekommen bist, und denk daran du bist der erste Deutsche, Den Er lebend in den Himmel kommen lässt.

Na gut, sagte ich, dafür unterhalte ich ihn ja auch.

Gib nicht so an, sagte meine Frau. Und wenn er weiß wo mein Vater ist, dann frag Ihn doch mal, Ob Er ihn dir zeigt oder ob du mit ihm sprechen darfst.

Ich weiß ja nicht wie das geht

Hast du deine Predigten mit?

Ja sagte ich zwei.

Nur zwei?

Ja sagte ich, und ein paar Fürbitten und ein paar Psalmen und noch so Gedichte.

Na schön, sagte meine Frau, dann geh jetzt mal, und vergiss nicht dass ich dich liebe. Und wir sehen uns wieder!

Das will ich meinen, sagte ich, sonst ginge ich nicht

Nun lauf wacker!

Ja sagte ich! Ich drehe mich nicht um, denn ich weiß nicht ob das gut ist.

Ist schon gut, sagte meine Frau. Bestell liebe Grüße an den lieben Gott. Und geh jetzt deinen Weg bevor es dunkel wird.

Ich kann immer noch sagen ich hätte es mir anders überlegt.

Nein das sagen wir nicht, sondern du gehst jetzt, und ich gehe jetzt, und wenn wir uns wiedersehen …

Und wir sehen uns wieder!

Dann sind wir alles was wir sind: alt und glücklich.