Wie haltet Ihr’s eigentlich mit dem Herrn Jesus? Weihnachten ist nun vorbei – Die Weisen sind gegangen / der Schall verklang / der Schein verging / der Alltag hat im jeden Ding / nun wieder angefangen.
Predigt – Lutherkirche Altena
Letzter So. n. Epiphanias
#Apk 1,9-18
(Gerhard Valentin & 1965, EG 548). Und Jesus wird schneller erwachsen, als wir schauen können: In wenigen Wochen begehen wir die Passionszeit.
Scheint der Stern von Betlehem in unser Leben hinein?
Er-scheint Jesus, der Christus uns?
Wir hören von einem Johannes, einem Bruder und Mitgenossen der ersten Gemeinde, der seine Offenbarung mit dem Herrn Jesus aufgeschrieben hat – im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Er schreibt– fern der eigenen Kirchengemeinde – von der Insel Patmos:
9 Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus.
10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune,
11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.
12 Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter 13 und [a] mitten unter den Leuchtern einen, der war [b] einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel.
14 Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und [a] seine Augen wie eine Feuerflamme 15 und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen;
16 und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht.
17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte
18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Wie haltet Ihr’s eigentlich mit dem Herrn Jesus?
Eine merkwürdige Geschichte, die auf den ersten Blick eher keine Antwort gibt, sondern befremdlich wirkt. Hier geht es irgendwie weniger um eine handfeste Glaubensfrage. Eher geht es um Bilder und Szenen, die aus einem Fantasy-Film stammen könnten: Kampf Gut gegen Böse, eine ausweglose Situation, mitten in diese Realität hinein stelle ich mir Blitz und Donner vor und dann diese Szene:
Eine mächtige Stimme, die spricht: Schreib Briefe!
Und wer spricht da? – Hinter mir, es kommt von hinter mir. Spannung! Goldene Leuchter sind zu sehen, auf den zweiten Blick eine Gestalt in der Mitte. Langes Gewand. Goldener Gürtel. Langsam zoomt die Kamera heran: bleiches Gesicht, bleiches Haar. Brennend rote Augen. Super inszeniert, tolles Bild. – Aber was trägt das denn aus für meinen Glauben heute?
Was sagt uns das von Jesus, dem Christus, wenn wir tiefer gehen wollen, als uns allein an das zu erinnern, was wir historisch wissen vom Zimmermannssohn aus Nazareth? Viele faszinieren ja historische Erkenntnisse – und wenn wir im Herbst nach Israel reisen werden, dann werden wir die Stätten seines Wirkens sehen – und so manche Geschichte von Jesus hören, die sich die Historiker mindestens genauso zusammengereimt haben wie Theologen so manche Glaubensaussage … – Über Jesus als Person wissen wir schon gar nicht viel – und dann begegnen uns solche Fantasy-Texte, die einen Ertrag für den Glauben an Jesus als Sohn Gottes enthalten sollen?
III.
Wie haltet Ihr’s eigentlich mit dem Herrn Jesus?
Einer neusten Studie über Glauben und Kirchlichkeit, die in Hessen erforscht wurde, glauben die Christinnen und Christen immer weniger an Christus – wohlgemerkt Christinne und Christen. Die, die sich nach ihm benennen.
Selbst unter den Katholiken und noch mehr unter den Protestanten dominiert der Glaube an eine unspezifische Macht. „Engel überflügeln Jesus“ – könnte man das Ergebnis der Studie zusammenfassen: Der Glaube an ein „überirdisches Wesen“ (70%). Der Glaube hingegen an einen persönlichen Gott – also der Vorstellung, dass Gott sich mit uns persönlich befasst – schwindet. Der Glaube, dass Gott in Jesus Christus selber Mensch geworden ist, sich zu uns in Beziehung gesetzt hat, ist nicht mehr besonders ausgeprägt.
Das sagt übrigens nichts über die Nähe zur Kirche aus (75% der Befragten sagen, dass sie es gut finden, dass es „Kirche“ gibt). Auch nichts über die Intensität des Glaubens: Immerhin 30% sagten, dass sie täglich beten. Aber es sagt etwas darüber aus, dass wir Christinnen und Christen schwer tun mit Jesus, dem Christus.
Ist er ein Vorbild? – Ist der Glaube dann vorrangig Moral und Ethik? Was wäre dann mit dem Gedanken, dass in Jesus Christus Gott Mensch wurde und diese Welt ein für alle Mal verändert und gerettet hat, auch Dich und mich, zeitlich weit nach dem Wirken des historischen Jesus?
Oder ist Jesus – ganz gegenteilig – eine zeitlose Wahrheit, der man sich anschließt? Was ist dann mit der menschlichen Seite Jesu, der in verschiedenen Situationen so unterschiedlich reagiert hat? Mal barmherzig gegenüber der Sünderin, mal abweisend gegenüber den Pharisäern?!
Frage über Fragen. Und an diesem Predigttext heute bekommen für mich diese Fragen ein noch größeres Fragezeichen. Denn was für eine Vision hat Johannes da? Was erfahren wir von Jesus? Inwieweit ist er wesentlich für unseren Glauben?
III.
Leider hat im Deutschen das Wort „Apokalypse“, was „Erscheinung“ heißt, einen absolut negativen Klang: Es droht der Weltuntergang.
Es geht aber für mich schlicht darum, dass durch die Erscheinung Jesu Christi eine Verbindung geschaffen wird zwischen dem einsamen (womöglich gefangenen) Johannes und seiner Gemeinde zu Hause: Der christliche Glaube ist räumlich entgrenzt – und nicht nur eine Sache für die Zeitzeugen, damals, die Hirten an der Krippe, die Jünger unter dem Kreuz.
Die Erscheinung Jesu Christi schafft eine Verbindung zwischen dem reinen Erinnern an Jesus von Nazareth und der Tatsache, dass er ihn in der Gegenwart, in der jetzigen Situation bezeugt werden kann und eine Rolle für unser Leben spielt.
„Die Sache Jesu geht weiter“ – mit diesem Satz hat der Neutestamentler Willi Marxen mal die Auferweckung Jesu beschrieben: Was Jesus angefacht und begonnen hat, wirkt fort!
„Was würde Jesus dazu sagen?“, hat Martin Niemöller mal zur entscheidenden Frage des Glaubens erhoben: Was würde Jesus heute tun, wenn er bei uns wäre? Was würde er uns sagen? Wie würde er uns begegnen?
Die Zeit zwischen Weihnachten und Passionszeit, die Epiphaniaszeit, die Zeit der Erscheinung, fragt danach, wie der Glaube an Jesus Christus über die historische Gestalt des Mannes aus Nazareth fortwirkt.
Johannes soll Briefe schreiben an die Gemeinde in seiner Heimat. Sieben Briefe. Was schrieben wir von Jesus, dem Christus, nach Nachrodt, nach Dahle, zum Kreiskirchenamt in Iserlohn? Vielleicht an die Zweifler im Ruhrgebiet, an die Frommen im Siegerland?
Wie halten wir’s mit dem Herrn Jesus?
Wie auch immer die Antwort ausfällt: Ich hoffe, dass wir unterscheiden, dass Glaube weniger mit „Fantasy“ zu tun hat – also weniger mit einer Gegenwelt, einer entfernten Wirklichkeit, die mit unserem Leben nichts zu tun hat. Sondern mehr mit einer „Vision“. Denn die Vision verknüpft die andere Wirklichkeit mit unserem Leben, mit der Realität.
Ich will festhalten an einem Christus-Bild, das viel mit dem einfachen Menschen Jesus von Nazareth zu tun hat: der in einfachen Verhältnissen geboren wurde. Wie es jedem anderen von uns auch hätte passieren können oder passiert ist. Der Feuer und Flamme war für den Glauben an einen liebenden Gott, der uns beisteht und uns begleitet in Leben. Der uns nicht auseinander dividiert. – Daher musste Jesus auch Kritik und Anfeindungen aushalten, denn das ging einigen zu weit.
Ich will festhalten an einem Christus-Bild, dass er für seinen Glauben ans Kreuz gegangen ist. Nicht, um ein Held zu sein. Nicht, um einen zürnenden Gott zufrieden zu stellen. Sondern weil er die Menschen so liebte, dass er sich selbst nicht zu schade war, seinen Weg zu Ende zu gehen. (Wir werden darüber noch nachdenken in der Passionszeit!) –
In allem hat er sich als Mensch erwiesen, der war wie ich es bin: mit einer Geburtsgeschichte. Mit Schwächen und Ängsten. Dem Spott ausgesetzt sogar. Gescheitert sogar.
In allem aber eben auch als Gottes Bote, als Gottgesandter, der Gottes Botschaft uns ausrichten sollte – und so spricht dann ja auch der Gottessohn bei der Erscheinung des Johannes: „Fürchte dich nicht.“ „Ich war tot – und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Wie halten wir’s eigentlich mit dem Herrn Jesus? Die Frage bleibt offen, wegen dieses sperrigen Textes, aber auch, damit wir für uns (und immer wieder neu) klären, wo Jesus Christus in unserem Leben „erscheint“. Gewiss ist aber: Es geht in dieser Frage um nicht weniger als die Frage nach Ewigkeit, Leben und Tod.