Mein Kommentar zur Söder-Debatte und dem Anbringen von Kreuzen in bayrischen Amtsstuben: „Das Kreuz ist kein bayrisches Symbol!“
Das Kreuz ist zu allererst ein religiöses Symbol: Für Christinnen und Christen erinnert es an den gewaltsamen Tod Jesu von Nazareth und steht damit für die Verlorenheit, das Scheitern und die Widersprüchlichkeit des Menschen vor Gott und den Menschen. Es ist also ein (herrschafts-)kritisches Symbol. Es symbolisiert genauso die österliche Hoffnung, dass Gott den Menschen in der Auferweckung seines Sohnes an Ostern zu neuem Leben verhilft. In diesem Zusammenhang ist das Kreuz Symbol für Versöhnung und – als universelles Heilssymbol – für die Entgrenzung aller Menschen trennenden Barrieren.
Die christliche Botschaft an sich hat einen Öffentlichkeitsanspruch. Insofern ist eine öffentliche Darstellung religiöser Symbole, auch des Kreuzes, Ausdruck von religiös geprägten Glaubens- und Wertvorstellungen von einzelnen und von Religionsgemeinschaften in der pluralen Gesellschaft. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen.
Genau wie Kreuze nicht aus der Öffentlichkeit verbannt werden dürfen, geht ein Gebot, sie an (alle) staatlichen Orten aufzuhängen, an der Sache vorbei.
Das Kreuz an Orten des weltanschaulich neutralen Staates kann nicht konfessionell-inhaltlich begründet werden. Es drückt – ähnlich der Logik von Gottesformeln in deutschen Verfassungstexten – eine Selbstrelativierung des Staatlichen aus und kann als eine bewusste Lehrstelle hinsichtlich Letztbegründungen fungieren, die nicht der Staat setzen, sondern die Gesellschaft aushandeln muss.
Das Kreuz als kulturelles Symbol für die christlich-jüdische Tradition birgt die Gefahr der Ausgrenzung und Polarisierung. Das Kreuz ist kein bayrisches Symbol! Mit der Sprachfigur des „christlichen Abendlandes“ kann weder die verfassungsrechtliche Gleichrangigkeit von positiver und negativer Religionsfreiheit noch die Gleichrangigkeit verschiedener Religionsgemeinschaften in Frage gestellt werden. Das Kreuz als kulturelles Symbol steht in der Gefahr, den religiösen Hintergrund abzuschneiden (Säkularisierung des Kreuzes).